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Donnerstag, 5. Mai 2016

Musik ist ihre heilige Pflicht
Elisabeth Leonskaja gastiert beim Klavier-Festival Ruhr in Mülheim
mit Schubert, Brahms und Widmann

Als „Anti-Diva“ hat ein spani- „Musik ist Heilung“, findet Elisabeth Leonskaja. In Mülheim Jacob Milstein, ihr erster typisches Programm im Ge-
scher Journalist Elisabeth spielt sie ihr 17. Konzert im Rahmen des Klavier-Festivals. Mann Oleg Kagan, vor allem päck. In der vor 90 Jahren
Leonskaja einmal bezeich- aber Svjatoslav Richter. Mit eingeweihten geschichts-
net. In der Tat ist der vor 70 FOTO: MARCO BORGGREVE ihm verband sie eine künstle- trächtigen Mülheimer Stadt-
Jahren in Tiflis/Georgien ge- rische Freundschaft, die bis halle spielt sie Franz Schu-
borenen Pianistin Star-Geha- zum Tod des Pianisten 1997 berts f-Moll-Sonate (D 625),
be fremd. Als warmherzige, andauerte. Von Richter habe die Wanderer-Fantasie (D
bescheidene Frau wird sie be- sie gelernt, leise und „dolce“ 760) und die sieben Fanta-
schrieben, die gerne lacht, zu spielen. „Er hat den Maß- sien op. 116 des diesjährigen
sich aber viele Gedanken stab gesetzt“, bekannte sie im Schwerpunkt-Komponisten
macht. Seit sie schon mit sie- Interview. des Festivals, Johannes
ben Jahren zum ersten Mal Brahms. In der Mitte des
vor Publikum aufgetreten ist, Typisches Programm Konzerts bekennt sie sich zur
gehört die Klaviermusik zu Kennengelernt hatte sie zeitgenössischen Musik und
ihrem Leben. Musik ist ihre Richter Ende der 60er Jahre, lässt Jörg Widmanns 2008 ur-
Aufgabe, ihre Pflicht, wie sie als sie – bis 1971 – am Mos- aufgeführte elf Humoresken
einmal in einem Interview kauer Konservatorium stu- erklingen – Charakterstücke,
sagte: „Eine heilige Pflicht dierte. In den Westen emig- die schon in ihrem Titel auf
meinen Eltern und dem Le- rierte sie 1978, da hatte Elisa- Robert Schumann verwei-
ben gegenüber, wenn ich die- beth Leonskaja schon 20 Jah- sen. Und man darf sicher
ses Talent vom lieben Gott re Karriere in der Sowjet- sein, dass Leonskaja den
bekommen habe. Wenn ich union hinter sich. Sie kam zu Wunsch des Komponisten in
diese Aufgabe nicht erfülle, einem Konzert mit den Wie- ein klingendes Erleben um-
bin ich nicht zufrieden. Ich ner Symphonikern nach setzt: „Möge der Interpret in
könnte mir auch nicht vor- Wien und blieb. Ein Jahr spä- jedem der Stücke dessen
stellen, aufzuhören, da wür- ter debütierte sie bei den ganz eigenen Tonfall entde-
de ich sofort krank. Musik ist Salzburger Festspielen. Es cken und ihn, mal spöttisch,
Heilung.“ war der Beginn ihrer interna- dann wieder trocken, hier
tionalen Karriere. melancholisch verhangen,
Die Eltern Elisabeth aber immer mit Humor und
Leonskajas waren im Krieg Wenn Elisabeth Leonskaja Feinsinn zum Klingen brin-
aus Odessa geflohen. Die als Preisträgerin des Klavier- gen.“
Mutter, Sängerin und Pianis- Festivals Ruhr 2011 am Mon-
tin, hat ihr den ersten Unter- tag, 27. Juni, 20 Uhr, zu ihrem C Mo., 27. Juni 2016,
richt gegeben. Später stan- 17. Konzert nach ihrem De- Stadthalle Mülheim,
den bedeutende Musiker an büt 1990 zum Festival zu- Theatersaal
ihrem Lebensweg: ihr Lehrer rückkehrt, hat sie ein für sie

Facettenreiche Reise durch die
Welt der Klaviermusik

Leif Ove Andsnes mit Beethoven, Sibelius, Debussy und Chopin in der Philharmonie Essen

Eine „Beethoven Journey“ mit dem er seine Einspielung ristisch angehauchten Minia- Beethoven-Kenner: Pianist Leif Ove Andsnes. FOTO: CHRIS AADLAND
hat der norwegische Pianist aller Beethoven’scher Kla- turen wie Jean Sibelius’ Kla-
Leif Ove Andsnes in den letz- vierkonzerte mit dem Mah- vierstücken op. 75 oder den
ten fünf Jahren unternom- ler Chamber Orchestra 2014 Skizzen op. 114 Maßstäbe zu
men. Das kann eine Reise mit abgeschlossen hat. Andsnes setzen versteht, wird er bei
Beethoven sein, oder auch erkennt in dem Es-Dur-Kon- seinem inzwischen fünften
eine Reise zu Beethoven. zert ein „überaus menschli- Auftritt beim Klavier-Festival
Konsequent hat er sich auf ches, tiefschürfendes Werk – Ruhr beweisen. Sein facet-
die Musik des gebürtigen und ganz sicher eines, das tenreich konzipiertes Recital
Bonners konzentriert, der in von der Freiheit spricht und führt die Reise weiter zu
Wien zum musikalischen diese feiert.“ Beethoven Claude Debussy und Frédé-
Neuerer und zu einem poli- bringt Leif Ove Andsnes ric Chopin, dessen formale
tisch wachen, klugen, feuri- auch mit, wenn er am 19. Juni Vielfalt er mit je einer Étude,
gen und human denkenden im Rahmen des Klavier-Festi- einem Impromptu, einem
Kopf herangewachsen ist. vals Ruhr in der Philharmo- Nocturne und der f-Moll-Bal-
nie Essen auftritt. Er spielt lade ausbreiten wird.
Dieses politisch-philoso- die „Jagd-Sonate“ Nr. 18 Es-
phische Nachdenken Beet- Dur op. 31/3. Dass Andsnes C So., 19.Juni 2016,
hovens sieht Andsnes auch in aber auch in anspruchsvol- Philharmonie Essen,
den Werken reflektiert. Etwa len, expressiven sowie folklo- Alfried Krupp Saal
im Fünften Klavierkonzert,
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