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Youngsters auf Zollverein

Nur wer eine herausragende Musikerpersönlichkeit besitzt, wer heraussticht aus der Konkurrenz wie eine Leuchtboje im Ozean, hat eine Chance, es auf die ganz großen Bühnen zu schaffen. Die vier Pianisten, die in unserer Reihe Youngsters im Salzlager auf Zeche Zollverein auftreten, gehören dazu. Zwischen 1994 und 2004 geboren, haben sie ihr technisches Können längst bewiesen und zu einem persönlichen Stil gefunden.

Der 20-jährige Israeli Yoav Levanon trägt auf der Bühne Krawattenschals, Manschettenknöpfe und wallendes Haar. Dass er als Reinkarnation von Franz Liszt durchgehen könnte, scheint ihn nicht zu stören. Warum auch, wenn er sich vor dem Vergleich gar nicht zu fürchten braucht? Er trat als jüngster Pianist in der Geschichte des renommierten Verbier Festivals auf – mit 15. Jedes Stück, das er anpackt, bringt er zum Funkeln, mit seiner brillanten Technik und seinem untrüglichen Gespür für Linien und Struktur. Aus der Partitur formt er einen sinnigen Gedanken nach dem anderen. Klar wie Glas präsentiert er sie dann seinem Publikum, das er bezaubert und tief bewegt ins 19. Jahrhundert eintauchen lässt.

Conrad Tao hat zwar ebenfalls Klassiker von Rachmaninow oder Maurice Ravel im Repertoire, genauso lässig aber rollen ihm eigene Werke oder Jazz-Standards von Billy Strayhorn oder Stephen Sondheim von den Fingern. Der amerikanisch-chinesische Pianist ist ein Connecter, ein smarter Kommunikator. Nahbar und umgänglich wirkt er– egal, ob er mit Hipster-Vollbart Prokofjews 3. Klavierkonzert im YouTube-Channel erläutert oder Bach auf der Melodica spielend in Straßenunterführungen den Staub aufwirbelt. Wenn er über Musik spricht, bewegt er seine Hände, als würde er die Gedanken wie von einer Spindel abrollen. Er spricht spielend, und er spielt sprechend.

Einer, auf dessen stringente Interpretationen man sich verlassen kann, ist der finnisch-kubanische Pianist Anton Mejias. Ein sanftes, träges Lächeln umspielt sein Gesicht. Schokoladenbraune Augen und dunkle Kleidung vertiefen die geheimnisvoll-warme Aura. Sein Spiel? Körperlich, voluminös, kugelhaft. Als würde er von der ersten Note an einen Ball aus Klang formen und ihn stetig ausdehnen. Vor allem Werken, die von Mehrstimmigkeit geprägt sind, verleiht er dadurch eine große Ausdruckskraft. Polyphone Notenstränge laviert er kunstfertig durch seinen Kosmos. Da ist kein Zittern, kein Zweifeln, kein Zaudern. Aber immer größte Sensibilität. Es wundert nicht, dass er von Johann Sebastian Bach besessen ist.

Alexander Malofeev hat es schon als Teenager begriffen: “In der Musik geht es nicht um Fehler oder Noten, sondern um Erfahrungen, die man über viele Jahre hinweg gemacht und mit sich herumgetragen hat.” Dabei ist das Spiel des gerade einmal 22-Jährigen schon heute von einer verblüffenden Reife. Seine gigantische Konzentrationsleistung ist ihm beim Spielen anzusehen. Er malmt mit dem Kiefer, atmet ergriffen, den strohblonden Schopf über den markanten Schultern vorgebeugt. Der junge Musiker erlangte internationale Berühmtheit, als er mit 13 den Internationalen Tschaikowsky-Wettbewerb für junge Musiker gewann. Das war 2014. Seitdem scheint seine Karriereleiter bis in den Himmel zu ragen. Dass er trotzdem zutiefst menschlich wirkt, ist vielleicht eine seiner reifsten Leistungen.

Maria Gnann

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