Startseite » Education » Projektdokumentationen » Klangfarben » Klangfarben – Claude Debussy und die Malerei seiner Zeit
„Wie sich der Maler an Gegenüberstellungen von Farbtönen, am Spiel von Schatten und Licht freut, so freut sich der Musiker am Zusammenprall von unvorhersehbaren Dissonanzen, an der Mischung von seltenen Klangfarben“, schreibt der französische Kritiker Henry Malherbe über Debussys Musik.
„Wie sich der Maler an Gegenüberstellungen von Farbtönen, am Spiel von Schatten und Licht freut, so freut sich der Musiker am Zusammenprall von unvorhersehbaren Dissonanzen, an der Mischung von seltenen Klangfarben“, schreibt der französische Kritiker Henry Malherbe über die Musik von Claude Debussy: „Er will das, was er zu Gehör bringt, sichtbar machen, und die Feder zwischen seinen Fingern wird ein Pinsel. Das ist ein musikalischer Impressionismus von besonderer Nuance und seltener Qualität.“
An der Schwelle zur Moderne erschloss Claude Debussy (1862–1918) dem Klavier neue Klang- und Ausdruckswelten. Dabei ließ er sich nicht nur von literarischen Ideen, sondern auch von visuellen Eindrücken und Werken der bildenden Kunst inspirieren. „[…] ich liebe die Bilder beinahe ebenso sehr wie die Musik“, bekannte er 1913 in einem Brief an Edgard Varèse. Und zwei Jahre später schrieb er an den französischen Kritiker Emile Vuillermoz: „Es ehrt mich sehr, dass Sie mich einen Schülern von Monet nennen […]“.
Tatsächlich gibt es zwischen dem Schaffen Monets und Debussys interessante Verbindungslinien. Beide Künstler, die in keiner direkten persönlichen Beziehung standen, verfolgten in unterschiedlichen Kunstformen verwandte Projekte. Von einer anti-akademischen Grundhaltung geprägt, ging es ihnen darum, herkömmliche Wahrnehmungsmuster aufzubrechen und ihre Kunst von verknöcherten Form- und Darstellungskonventionen zu befreien.
Während Monet sein Atelier verließ, um mit Pinsel und Leinwand das Spiel des Lichtes direkt in der Natur zu studieren, träumte Debussy von einer „Musik im Freien“, die „unbeschwert über den Wipfeln der Bäume“ schwebt. Ähnlich wie Monet betrachtete er die Natur zugleich als Lehrmeister und unerschöpfliche Inspirationsquelle. „Die Musiker hören nur die Musik, die von geschulten Händen geschrieben wurde, die der Natur eingeschriebene hören sie nie“, formulierte er mit der Stimme seines literarischen Alter-Ego, Monsieur Croche: „Den Sonnenaufgang betrachten ist viel nützlicher, als die Pastoralsymphonie hören. […] Hören Sie auf keines Menschen Rat, sondern auf den Wind, der vorüberweht und uns die Geschichte der Welt erzählt.“
Einander nahe waren sich beide Künstler auch in ihrer Liebe zum Wasser. Während Monet das Spiel des Wassers, seine verschiedenen Färbungen und die Reflexionen des Lichtes auf der Wasseroberfläche in zahlreichen Einzelbildern und Bildserien erforschte, versuchte Debussy diese Vorgänge in seiner Musik einzufangen. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang neben dem Orchester-Triptychon La Mer insbesondere das erste Stück seiner Images für Klavier. Bereits der Titel des ‚musikalischen Bildes‘, Reflets dans l’eau („Spiegelungen im Wasser“), lässt an ein Gemälde Monets denken. Thema des Werkes sind das vielfältige Spiel von Licht und Schatten auf der Wasseroberfläche, die tanzenden Sonnenstrahlen und die Spiegelungen des Himmels und der Uferlandschaft.
Dass die musikalische Umsetzung dieser Vorgänge dem Komponisten dabei offensichtlich nicht leicht gefallen ist, zeigt ein Brief an seinen Verleger: „Das erste Stück, Reflets dans l’Eau, gefällt mir wenig, ich habe mich deswegen entschlossen, dafür ein anderes auf neuer Grundlage und entsprechend den allerneusten Entdeckungen der harmonischen Chemie zu komponieren“.
Die Endfassung von Reflets dans l’eau gehört neben Maurice Ravels Klavierstück Jeux d’eau zweifellos zu den faszinierendsten musikalischen Wasserstudien. Beeindruckend ist dabei sowohl die evokative Kraft der Musik als auch ihr harmonischer Reichtum und ihre rhythmische Flexibilität.
Debussy verwendete den aus der Malerei entlehnten Begriff Image gleich mehrfach als Titel für Werkserien. Auf den 1905 veröffentlichten ersten Band der Images für Klavier zu zwei Händen folgte 1908 ein zweiter Band. Außerdem entstanden zwischen 1905 und 1912 drei Images für Orchester. Die einzelnen Titel der sechs Images für Klavier deuten in verschiedene Richtungen. Weniger Programm als Stimulus öffnen sie Assoziationsräume und verweisen auf Inspirationsquellen.
So folgt auf Reflets dans l’eau eine Hommage an den großen französischen Komponisten Jean-Philippe Rameau, den Debussy verehrte und immer wieder als Fundament für eine genuin französische Musik ins Spiel brachte. In Mouvement hingegen werden unterschiedliche Bewegungsvorgänge musikalisch in Szene gesetzt.
Das letzte Stück des zweiten Bandes Poissons d’or („Goldfische“) spannt den Bogen zurück zur Wasserthematik des Anfangs. Als Inspirationsquelle diente dabei offensichtlich eine japanische Lackierarbeit, die im Arbeitszimmer des Komponisten hing und sein – mit Monet und anderen zeitgenössischen Malern wie van Gogh oder Gauguin geteiltes – Interesse für japanische Kunst dokumentiert.
Auch im ersten Buch der Préludes arbeitet Debussy mit assoziativen Titeln wie Voiles (Segel/Schleier) oder La fille aux cheveux de lin („Das Mädchen mit den Flachshaaren“). Allerdings stehen diese im Notentext nicht mehr über den Stücken, sondern sind an ihr Ende gerückt. Als in Klammern notierte Nachschriften geben sie dem Spieler erst nach der ersten Lektüre dezente Hinweise zum Verständnis und zur Interpretation des jeweiligen Stückes.
Der versteckte Titel des zehnten Préludes La cathédrale engloutie nimmt auf die alte bretonische Legende Bezug, die bereits Debussys Landsmann Édouard Lalo in den 1870er Jahren zu einer Oper inspiriert hatte. Einmal im Jahr hebt sich die versunkene Stadt Ys mit ihrer mächtigen Kathedrale vom Meeresgrund empor, um den Menschen als mahnendes Beispiel zu erscheinen und anschließend wieder in den Wogen zu versinken.
Das Prélude beginnt „dans une brume doucement sonore“ („in einem sanften Klangnebel“) – so die mit visuellen Assoziationen spielende Vortragsanweisung. Gedämpfte Glockenklänge und der archaische Gesang der Priester scheinen aus der versunkenen Kathedrale an die Wasseroberfläche zu dringen. Nach einiger Zeit wird die Musik belebter und der Klangnebel beginnt sich zu lichten. Die Kathedrale steigt vom Meeresgrund empor, um schließlich mit einem Choral in mächtigen Fortissimo-Akkorden im strahlenden Sonnenlicht zu erscheinen und dann langsam wieder in den Fluten zu verschwinden.
Im Schlussabschnitt dringt ein leises Echo des Chorales aus den Tiefen des Wassers empor, bevor das Stück in jenem „sanften Klangnebel“ verklingt, in dem es begonnen hat.
La cathédrale engloutie ist ein eindrückliches Beispiel für die Fähigkeit der Zeitkunst Musik, einen Prozess darzustellen. So tritt uns die Kathedrale bei Debussy in ein und demselben Stück in unterschiedlichen Klangperspektiven entgegen. In dieser prozesshaften Qualität sah der Musiker Debussy seine Kunst der Malerei voraus.
Im Februar 1906 schrieb er an seinen Stiefsohn, den Komponisten Raoul Bardac: „Sammeln Sie Eindrücke. – Beeilen Sie sich nicht, diese sofort aufzuzeichnen… Die Musik ist der Malerei insofern überlegen, als sie die verschiedenen Variationen der Farbe und des Lichtes zusammenbringen und in einem Werk vereinen kann. Eine Wahrheit, die trotz ihrer Einfachheit oft übersehen worden ist.“
Monets Antwort auf dieses Darstellungsproblem der Malerei war das Prinzip der Bildserie. Um den Wandel eines Objekts zu thematisieren, malte er zwischen 1892 und 1894 seine aus ca. 30 Bildern bestehende Serie „Die Kathedrale von Rouen zu den verschiedenen Stunden des Tages“. Eine dieser Ansichten Le portail, brouillard matinal („Das Westportal im Morgennebel“) befindet sich seit 1970 in der Sammlung des Museum Folkwang.
Tobias Bleek
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